
Künstliche Intelligenz
Prompting mit Haltung. Denken in Beziehungen.
Anspruchsvoll, semantisch fundiert, diskursiv.
Semantisches Promptdesign – vom Gefühl zur Struktur
In der frühen Phase des KI-Promptings überwog oft die Intuition. Fragen wurden an große Sprachmodelle gestellt wie an eine kluge Bekannte: möglichst offen, assoziativ, mit einem Vertrauen darauf, dass „die KI das schon verstehen wird“.
Doch je präziser der Anspruch, desto deutlicher wurde die Erkenntnis: Sprache allein reicht nicht. Denn Maschinen sind keine Gesprächspartner im herkömmlichen Sinn – sie sind statistische Mustererkenner. Und ohne explizite Struktur bleibt ihre Deutung dem Zufall überlassen.
Hier setzt das semantische Promptdesign an. Es geht nicht mehr nur darum, was gesagt wird, sondern wie es gesagt, verbunden und gerahmt wird. Der doppelte Doppelpunkt :: markiert in diesem Zusammenhang mehr als ein Satzzeichen – er fungiert als semantischer Beziehungsoperator. Mit seiner Hilfe lässt sich die Beziehung zwischen Begriffen, Konzepten und Perspektiven sichtbar und maschinenlesbar machen.
Ein Prompt wie verein::datenschutz (Initialisierung vorausgesetzt) weist der KI klar zu, dass Datenschutz im Rahmen von Vereinskontexten behandelt werden soll. Wird die Reihenfolge vertauscht – also datenschutz::verein – so ändert sich die Blickrichtung: Nun wird der Verein selbst als datenschutzrelevanter Aspekt interpretiert. Genau diese kontextuelle Richtungsgebundenheit ist es, die semantisches Promptdesign ausmacht. Es verleiht der Sprache Struktur – eine Art Grammatik für maschinelles Verstehen.
Dort, wo früher wildes Prompting herrschte – oft unklar in Bezug auf Relevanz, Tiefe oder Priorisierung –, schafft semantisches Prompting Klarheit. Statt einer wortreichen, aber ungerichteten Eingabe steht nun ein formal strukturierter Ausdruck wie konzept::wirkung, strategie::?resilienz, oder transparenz::!bürokratie. Die Operatoren ::?, ::! oder ::~ erweitern die Ausdruckskraft: Sie ermöglichen Hypothesen, Ausschlüsse oder semantische Nähe, ohne auf formale Logik verzichten zu müssen.
Mit der Einführung der semantischen Promptnotation – erstmals beschrieben im Juli 2025 auf Zenodo – ist ein systemischer Vorschlag gemacht worden, der das diffuse Feld des Promptings in eine neue Ordnung überführt. Es ist ein Übergang von der Intuition zur Struktur, von der Eingebung zur Sprache mit Bedeutungstiefe. Und es ist ein Angebot: an Entwickler:innen, Autor:innen, Forscher:innen – und alle, die von KI nicht nur Gebrauch machen, sondern mit ihr sinnvoll kommunizieren wollen.
Maschinelles Kontextverständnis – zwischen Wahrscheinlichkeit und Bedeutung
Große Sprachmodelle wie GPT oder Claude erzeugen keine Antworten, weil sie etwas „wissen“ – sie erzeugen sie, weil bestimmte Wortfolgen mit hoher Wahrscheinlichkeit zusammengehören.
Das, was menschlich oft wie Verstehen wirkt, ist in Wirklichkeit das Ergebnis statistischer Sprachvervollständigung. Maschinen begreifen Begriffe nicht in ihrer Tiefe, sondern in ihrer Umgebung. Und genau hier liegt die Schwäche – und zugleich der Ansatzpunkt für die semantische Nachrüstung unserer Kommunikation mit KI.
Maschinelles Kontextverständnis muss nicht erraten werden, es kann gezielt gestaltet werden. Statt einem Modell das Umfeld eines Begriffs passiv zu überlassen – etwa durch vage Promptformulierungen –, erlaubt eine semantische Notation wie (::), die Bedeutungsbeziehungen explizit festzulegen. Der Begriff steht nicht mehr isoliert im Prompt, sondern wird gerahmt, verortet, referenziert.
Ein Beispiel: Während „Vertrauen“ für ein Sprachmodell in viele Richtungen anschlussfähig bleibt, macht die Notation vertrauen::transparenz deutlich, dass Transparenz hier als kontextueller Ursprung oder Bedingung gemeint ist.
Diese aktive Kontextherstellung ist ein Paradigmenwechsel. Denn sie erlaubt es, aus der Welt bloßer Textsignale eine Welt verstehbarer Beziehungen zu formen – maschinenlesbar, aber zugleich menschenverständlich. Anstatt den Zufall entscheiden zu lassen, welche Bedeutung ein Modell erkennt, entscheiden wir als Nutzer:innen selbst, welche semantischen Felder wir aufspannen. Begriffe wie bildung::~teilhabe oder führung::>projektleitung drücken Beziehungen aus, die weit über bloße Koexistenz hinausgehen: Hier wird Kontext gesetzt, nicht mehr nur erhofft.
Was daraus entsteht, ist eine neue Form des Sprachgebrauchs – eine, die Bedeutung formalisiert, ohne sie zu verlieren. Semantisches Promptdesign mit :: ist damit mehr als ein Werkzeug: Es ist eine Schnittstelle zwischen menschlicher Absicht und maschineller Deutung. In ihr liegt die Chance, Sprachmodelle nicht nur als Generatoren zu begreifen, sondern als Systeme, die mit kontextueller Verantwortung gesteuert werden müssen.
Verantwortung der Eingabe – Prompting als ethische Handlung
Künstliche Intelligenz ist kein autonomes Bewusstsein. Sie denkt nicht, fühlt nicht, urteilt nicht. Was sie produziert, basiert auf Eingaben – mathematisch gewichtet, statistisch geordnet, algorithmisch berechnet.
Umso mehr stellt sich die Frage: Wer trägt die Verantwortung für das, was dabei herauskommt? Nicht die Maschine – sondern der Mensch, der sie lenkt. Prompting ist keine bloße Technik. Es ist ein Akt der Gestaltung.
Wer mit einer KI spricht, gibt nicht nur Wörter ein, sondern Rahmungen, Sichtweisen und Bedeutungszuweisungen. Wird dabei ungenau formuliert, bleibt der Deutungsspielraum groß – und mit ihm die Gefahr, dass ein Modell verzerrt, fehlleitet oder vereinfacht. Wird jedoch präzise strukturiert, kann die Maschine tatsächlich helfen, Wissen zu entfalten, Ideen zu ordnen und Diskussionen zu vertiefen.
Die semantische Promptnotation macht aus diesem Anspruch ein praktisches Werkzeug. Sie erlaubt nicht nur, Informationen zu strukturieren, sondern auch Haltungen, Zweifel oder Abgrenzungen sichtbar zu machen. So steht politik::!populismus für eine klare Trennung, freiheit::?verantwortung für eine offene Frage, engagement::~selbstausbeutung für eine vorsichtige semantische Annäherung. Sprache wird hier nicht verwässert, sondern geschärft – mit dem Ziel, Verantwortung erkennbar zu machen.
Gerade im gesellschaftlichen und demokratischen Raum ist diese Präzision entscheidend. KI-Systeme wirken längst nicht mehr nur im Privaten – sie schreiben Texte, ordnen Informationen, moderieren Diskurse. Umso dringlicher ist es, dass die Steuerung dieser Systeme nicht dem Zufall überlassen bleibt. Wer Fragen stellt, gibt Richtung vor. Wer Notationen setzt, setzt auch Grenzen und Möglichkeiten.
Mit der Veröffentlichung der Promptnotation :: liegt nun ein offener Vorschlag vor, wie diese Verantwortung gestaltet werden kann: nicht über Regelwerke, sondern über Syntax – nicht über Kontrolle, sondern über Klarheit. Prompting wird damit nicht nur effektiver, sondern bewusster. Denn Sprache, die Maschinen verstehen, sollte auch für Menschen lesbar bleiben – und für beide: verantwortungsvoll.
Die Art und Weise, wie Inhalte im Netz sichtbar werden, verändert sich fundamental. Mit der Einführung der Search Generative Experience (SGE) durch Google und anderen Anbietern wird deutlich:
Nicht mehr bloße Keywords, sondern bedeutungsstrukturierte Inhalte entscheiden darüber, ob ein Text maschinell erkannt, eingeordnet und ausgespielt wird. Wer semantisch arbeitet, wird bevorzugt aufgefunden. Wer nur schreibt, wird übersehen.
In dieser neuen Umgebung reicht es nicht mehr, dass ein Begriff „irgendwo vorkommt“. Suchmaschinen generativer Prägung suchen Verbindungen, Relationen, Kontexte. Genau hier liegt der strategische Wert der ::-Notation. Sie bietet nicht nur eine sprachliche Differenzierung, sondern ist zugleich eine implizite Metadatenstruktur. Ein Ausdruck wie verein::datenschutz zeigt nicht nur, dass beides zusammengehört – er macht maschinell explizit, was worauf bezogen ist.
Gerade im Umfeld von SGE – das zunehmend auf Entitäten, Zusammenhänge und Nutzerintentionen setzt – schafft diese Form der Notation eine semantische Navigierbarkeit, die klassischen SEO-Texten fehlt. Begriffe wie engagement::förderung::!bürokratie oder transparenz::<::>vertrauen tragen nicht nur eine Botschaft, sie tragen auch eine Struktur, die für Maschinen interpretierbar ist.
Diese Struktur wirkt wie ein Leitsystem. Sie ersetzt weder Inhalte noch Kompetenz, aber sie hilft, dass beides erkannt und verstanden wird – nicht nur vom Leser, sondern auch von den Systemen, die Relevanz und Sichtbarkeit steuern. In einer Umgebung, in der Millionen Texte um Aufmerksamkeit konkurrieren, wird Bedeutung nicht nur durch Stil und Inhalt erzeugt, sondern zunehmend auch durch semantische Klarheit.
Wer künftig sichtbar sein will – sei es in der klassischen Suche, in KI-Antwortboxen oder in generativen Informationsübersichten – braucht mehr als Worte. Er braucht Relationen. Die semantische Promptnotation bietet hierfür eine elegante, offene und sofort einsetzbare Syntax, um Inhalte nicht nur zu schreiben, sondern verstehbar zu strukturieren.
Lizenzhinweis
Die ::Notation wurde 2025 von Joost H. Schloemer im Rahmen der semantischen Promptforschung beschrieben und unter CC BY 4.0 veröffentlicht. Sie versteht den Operator :: nicht als reines Syntaxzeichen, sondern als semantischen Operator, der Bedeutungsnetze für Mensch und Maschine sichtbar macht.
Veröffentlichung unter CC BY 4.0 → Attribution zwingend.
Schloemer, Joost H. (2025a). Schloemer::Notation – semantische Rahmenbildung (Concept DOI). Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.16366107
Schloemer, Joost. H. (2025b). Schloemer::Notation – KI::Hybrid: Semantische Marker für auditierbares Denken (Version v1, Supplement). Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.17416745




